Die Zeitschriften! Die Verlage! Die ganze Schriftstellerbohème! Wann immer die Rede auf Schwabing und das Univiertel kommt, landet man schnell bei der jahrhundertealten literarischen Tradition, vergisst aber gerne, dass all die Druckerschwärze nicht viel mehr als geistreicher Schmutz wäre, wenn es nicht die Leser gäbe, die Büchernarren, die all die Zeitschriften, Verlage, Schriftsteller überlebt haben und bis heute durch die Straßen geistern, Jäger des verlorenen Schatzes, die selbst dieser Tage die Antiquariate durchwühlen und lieber ihre Nase in mühsam gefundenes Papier stecken als den gleichen Content bei Google Books frei Haus abzuschöpfen.
Der Sammler
Er riecht gut, nach Offizier und Gentleman und Knize Ten, trägt einen Oberlippenbart und ist auch sonst nicht von dieser Welt, entstammt vielmehr dem Kosmos Aubrey Beardsleys und der Münchner Secession. Stundenlang vermag er sich über Erstdrucke und Erotica auszulassen, sich selbst dabei sein liebster Zuhörer, und jedes Mal, wenn ich ihn durchs Akademieviertel streifen sehe und wieder ein Jahr verstrichen ist, nehme ich mir aufs Neue vor, ihn mit all seinen Schätzen und Anekdoten in einen Videopodcast zu bannen, wohl wissend, dass die Magie dann dahin wäre und er seinen Reichtum niemals mit einem Kameraobjektiv teilen würde, aber gern mit einer Zufallsbekanntschaft auf der Straße.
Der Händler
Steht selbst in einem Museumsbuchladen, verlegt Kunstpostkarten und verliert sich nichtsdestotrotz nach Feierabend in zwielichtigen Bücherkaschemmen, entdeckt hie einen vergriffenen Bildband, dort ein exotisches Fundstück und muß sich dann ein Taxi bestellen, da er die erworbenen Schätze nicht allein tragen kann.
Der Autor
Koreanische Kunst? Deutscher Sexschund? Für ihn gibt es keine abseitigen Themen, denn Bücher haben eine vom profanen Inhalt befreite Magie. Er kauft französische Originalausgaben, ohne auch nur einen einzigen Satz verstehen zu können, liebt diese unentzifferbaren Werke aber nicht weniger, sondern würde sie sich am liebsten alle unters Kopfkissen stecken, um im Schlaf von ihnen befruchtet zu werden. Was ihn nicht davon abhält, selbst liebgewonnene Pretiosen auf dem Flohmarkt zu verscherbeln, wenn er dringend Geld braucht, um sein Handy wieder zu entsperren. Warum auch nicht, gilt es doch die Magie des Gedruckten wie ein Feuer weiterzureichen.
Dieser Text erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe 2009 des Münchner „Spy Magazins“.