Donnerstag, 3. Januar 2008

Short Stories (5): Brennen

(für Wanda)

„morgen wirst du dich nicht mehr bewegen können, das verspreche ich dir“

Er lachte lauthals auf. Darauf freue ich mich, sagte er. Ich sehe sie an, die beiden, wie sie in den entgegen gesetzten Enden einer abgewetzten Ledercouch sitzen. Die Körper einander zugewandt. Die Augen in die des Anderen gebohrt. Als würden sie nur darauf warten, dass es geschieht. Sein Kopf dreht sich in meine Richtung und die Vorfreude ist nicht zu übersehen. Das Morgen. Dann, ihre Nasenflügel zittern leicht, sie atmet und ihre Gedanken weilen in der Zukunft. Meine Arme schmerzen, sagt er und meine Beine auch. Beide lachen. Wann hörte ich das letzte Mal diesen Satz von einer Frau? Nicht, als ich mit Wanda in die Berge wollte, dort keuchten wir uns beide die stadtverlassene Lunge aus dem Leib. Leib. Kennt ihr Majakowski, frage ich, und seine Wirbelsäulenflöte? Sie blicken mich an und in ihren Augen nur die stumme Verachtung der Glücklichen, dass ich es gewagt habe, das Band zu unterbrechen, dass sie beide aus den Ecken in die Mitte ziehen wird. Oder die Melancholie der Ziehharmonika, wenn sie einsam an einer Straßenecke von einem längst vorübergegangen Lächeln erzählt? Lass uns mit deinem Pathos in Ruhe, sagt er und sie lächelt nur, lass ihn, er hat ein gebrochenes Herz und einen Tripper vielleicht noch drauf, werfe ich ein. Jetzt lachen wir alle. Ob er noch von Wanda ist, oder von einer Anderen? Aber spielt das eine Rolle, frage ich mich, warum gehst du nicht zu einem Arzt, sagt er. Weshalb sollte ich, warten wir doch erstmal auf das Morgen. „Gestern hast du das schon gesagt, und ebenso vorgestern“. Das Gestern, das Morgen, was interessiert mich das? „Ich weiß“. Du bist ein Idiot, willst du, dass du unfruchtbar wirst, nichts mehr mit deinen Kinderwünschen für später, oder willst du, dass dir langsam der Schwanz abfault. Quatsch, sage ich. Es brennt nur ein bisschen, nicht annähernd so stark, wie ein gebrochenes Herz. Herzen brennen nicht, wenn sie gebrochen sind, sie bluten, sagt sie. Lass mich mit deinem Pathos zufrieden, sage ich. Will noch jemand einen Schluck, fragt er. In der Mitte, die Magnumflasche, erst zur Hälfte geleert, drei Tage alt, aber es schmeckt noch. Es prickelt noch. Leiser. Aber es prickelt noch. Ich muss los, sage ich. Dann verschwinde, antwortet er. „Nach einer Zigarette“ und ich greife in meine Tasche, ziehe Kippen und einen Zettel heraus. Also, Wirbelsäulenflöte, lese ich vor.

Verschon uns bitte. Siehst du nicht, dass wir glücklich sind? Natürlich und deswegen schenke ich euch das. Als Dreingabe sozusagen. Wenn es sein muss, aber mach schnell, sagt sie. Achtzehn nach Zwölf. Das Morgen, es nähert sich. Die Distanz zwischen den beiden ist kleiner als zuvor. Sie hat ihre Beine über die seinen gelegt, und irgendwie sieht das schön aus. Richtig. Während ich mich räuspere, spüre ich, dass ich dieses Spiel nicht zu weit treiben kann. Na mach, lies es vor und dann mach, dass du verschwindest. In seinen Worten liegt weniger Ernst, als man vermuten möchte und mehr Schwere, als seine Lachfalten zugeben wollen. Gut, gut, nur dieses eine Gedicht, als Abschiedsgruß, wenn ihr also gestattet? Ich hebe an, lese langsam. Als wäre es nicht das erste Mal, dass ich eines vortrage. Es ist das erste Mal. Ich glaube, das letzte Mal liegt neunzehn Jahre zurück und ich stand mir vier anderen in einer Reihe, wir mussten die Bürgschaft hersagen, immer abwechselnd eine Strophe. Ich war dreizehn und hatte nicht den blassesten Schimmer. Aber jetzt lese ich die Worte eines Anderen und versuche sie durch das Lesen zu meinen zu machen. Sie zu leben, zu erleben und das nicht nur damit ich spüre, dass ich lebe. Es ist mein erstes Mal. Schön, sagt sie. Typisch für dich, sagt er. Lass mich mit deinem Quatsch in Ruhe. Und ich weiß, dass er es nicht genauso meint wie er das sagt. Worauf wollen wir trinken, frage ich und hebe mein Glas. Auf euch, sage ich. Auf dich sagt sie. Auf uns, sagt er. Ich hätte noch das mit den Tuberosen, sage ich, ich könnte es auswendig, „... dass uns nach all der heißen Tagesglut, nicht eine Nacht gehört...“ jetzt geh endlich, und er tritt halbherzig nach mir, ihre Beine hüpfen. „Hey“, beschwert sie sich. Sie hat schöne Beine. Langsam, als müsste ich jeden Moment auskosten, wie ich jeden Moment auskoste, wenn ich diese Geschichte erzähle, erhebe ich mich. Langsam greife ich nach meinem Mantel. Schwinge mich hinein. Küsse ihre Hand. Schüttle die seine. Macht es gut, ihr beiden, aber nicht zu lang. Und nicht zu oft. Diesmal ist sein Ärger echter. Raus, ist alles, was er sagt. Weißt du, fährt er fort, wenn du nicht ein so verdammter Idiot wärst, wäre ich langweilig, falle ich ihm in seinen Satz. Ich weiß, sage ich. Schenk es dir. Dann, ein schneller Griff, ich bin hinaus zur Tür, die halbvolle Flasche in meiner Hand. Sein Schuh prallt gegen das Holz. Draußen auf der Straße, Neujahr. Ich schwenke meine Flasche, als wäre es die Trikolore, inmitten von Scharen von Menschen.
f.k.

1 Kommentar:

F. Kapinski hat gesagt…

popa, magste nachträglich noch die f.k. s verlinken?
:-) zu dank verpflichtet,
f.k.